Übersicht
Titel: Autor: Genre: Bewertung: max. 5 Sterne
Hannibal Gisbert Haefs Historischer Roman ***
Der Taubenzüchter von Bagdad Eli Amir Geschichtlicher Roman **
Der Tote im Fleeet Boris Meyn Historischer Kriminalr. *
Der Mann auf dem Hochrad
Uwe Timm
Historischer Roman
***
Frühes Versprechen
Romain Gary
Historischer Roman
****

Hannibal / Gisbert Haefs
Rubrik: Historischer Roman
Seiten: 750;  Jahr: 1989
Gisbert Haefs läßt in seinem Buch die Vergangenheit lebendig werden. Er läßt die historischen Ereignisse rund um das Mittelmeer auferstehen, durch die Schilderung von Antigonos, dem eigentlichen Erzähler. Einfach wird es dem Leser nicht gemacht. Eine Flut von Namen, teilweise zungenbrecherischer Natur, ergießt sich über den interessierten Leser. Hinzu kommt die Aufzählung von Völkern mit denen Handel und Krieg geführt wird/wurde. Leider kann man sich dabei als Normalbürger, d.h. mit durchschnittlichem Geschichtswissen, kaum ein Bild darüber machen, wie die Menschen ausgesehen, oder welche Mentalität sie besessen haben. So bleibt doch ein etwas schales Gefühl von Leere zurück. Aber Haefs setzt noch einen drauf: Er ergötzt sich (oder Antigonos?) in Beschreibungen wie Feste gefeiert wurden, wie die Ausstattung der Festsäle war, sowie die genaue Teilnehmerliste...und und und.... Es werden Gegenstände, gebräuchliche Lebensmittel und Köstlichkeiten, sowie Besonderheiten der Kleidung der Festteilnehmer bis ins Detail aufgezählt. Diese Informationsflut ist leider unnötig, zumal die Handlung nicht vorangetrieben wird. Es ist ja ganz schön, daß einem als Leser die Vergangenheit mit ihren Sitten und Gebräuchen nähergebracht wird, aber manchmal schießt Haefs über das Ziel hinaus: Er verbreitet Langeweile.
Antigonos' Erzählstil wirkt oft wie ein Wortstakkato, da die Sätze kurz sind oder durch viele Kommas getrennt werden. Schöne Eindrücke bleiben leider etwas auf der Strecke. Manche Dialoge sind auch aus der Gegenwart entlehnt ("Wie geht es Dir, Mann?"), aber das macht das Werk eher wieder angenehm.
Die Schlachtenschilderungen sind anfangs interessant; die taktischen Schachzüge überraschend. Doch einige Beschreibungen, bezüglich der Örtlichkeiten/Räumlichkeiten und Kriegsführung, sind in Gedanken schwer nachvollziehbar. Langeweile breitet sich aus, wenn unendlich wiederkehrend geschildert wird, wieviel Krieger von welchem Volk überlebt haben oder gefallen waren. Zehntausende von Toten muß man als Leser schon verkraften können! Das Abhandeln von sehr vielen Kriegsgeschehnissen läßt den Leser irgendwann nach oben blicken und mit den Augen rollen. Die drastischen Beschreibungen über Foltermethoden gelingen Haefs vortrefflich; man wünscht sich sehnlichst den nächsten Absatz herbei. Unerträglich sind leider auch die Fehlentscheidungen des Rats von Quart Hadasht, die einen das ganze Buch hindurch begleiten. Hinsichtlich der Niederwerfung Roms hat es im Laufe des Romans für Karthago mehr als ein Dutzendmal die Gelegenheit gegeben den Sieg zu erringen, doch nichts passiert. Auch wenn diese Tatsache authentisch sein sollte, irgendwann hat man die "Schnauze voll" von deren Wiederholung..
Die Ereignisse über 60 Jahre hinweg, sind nicht nur für den Geschichtsfreak interessant, obwohl der eher zum Geschichtsbuch greifen sollte, wenn genauere Daten von Interesse sind. Das Buch ist mit über 700 Seiten zu lange geraten. Die Hälfte hätte den Augen gutgetan. Natürlich ist dieses eine subjektive Meinung. Trotzdem ist das Buch für den Geschichtslaien, der die Geschichte schmackhaft präsentiert bekommen möchte, durchaus interessant. Die Spannung kommt, insgesamt gesehen, nicht zu kurz und das ist ja die primäre Aufgabe eines Romans, also: Abraten kann man von diesem Buch nicht....!
 

Der Taubenzüchter aus Bagdad / Eli Amir
Rubrik: Geschichtlicher Roman
Seiten: 540, gebunden;  Jahr: 1992
Leider ist mir der ursprüngliche Kritiktext abhanden gekommen...die Kritik die nun folgt ist hauptsächlich von Gefühlen bestimmt, die jetzt, ein Jahr später nach dem Lesegenuß, noch in mir sind: Es ist ein Buch, bei dem man durch Bagdads Straßen schlendert und die Gerüche und Straßenszenen aufnimmt. Der Konflikt der arabischen Juden im Bagdad der 40er Jahre: Familienquerelen wegen des Umzuges ins gelobte Land. Soll man gehen oder nicht? Heftige Konflikte, nicht nur in der Seele der Juden sondern auch mit dem arabischen Establishment, das die Ausreise erschwert und sogar teilweise verhindert. Dies alles erfährt der Leser aus Sicht des Jugendlichen Kabi. Immer wieder gibt es Textpassagen in denen detailliert die Geschichte und Grundgedanken des jüdischen Glaubens aufgezeigt wird. Für meinen Geschmack etwas zu viel. Als westlicher Leser hatte ich Probleme beim Nachvollziehen dieser religiösen Gedanken. In diesen Textabschnitten herrschte für mich Langeweile. Insgesamt ist es dennoch ein überdurchschnittlich gutes Buch, da durch die ausdrucksstarke Erzählweise des Autors, ein farbiges Bild der Geschehnisse in der Phantasie des Lesers entsteht.
 

Der Tote im Fleet / Boris Meyn
Rubrik: Kriminalroman, historisch
Seiten: 280, Erscheinungsjahr: 2000
Ein Mord mit mysteriösen Begleitumständen veranlasst Commissarius Bischop zu Ermitttlungen in den höchsten politischen Kreisen Hamburgs.
Der Verfasser Boris Meyn, promovierter Kunst- und Bauhistoriker, versetzt seine Protagonisten, und somit auch uns als Leser, in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Leider wurde ich in diesem (von der Zeitschrift Kultur News) hochgepriesenen Roman mit Fachausdrücken aus dem Bereich der Architektur traktiert, sowie mit Beschreibungen von Baumaterialien gelangweilt. Diese Fachgebiete treffen nicht mein Interesse, so war es schwierig im Lesefluss zu bleiben. Jedes neue Ansetzen des Romans kostete Überwindung; ein Indiz für mangelnde Spannung. Erschwerend hinzu kommt, dass man ein gutes Namens- und Personengedächtnis bei dieser Lektüre vorweisen sollte - die Liste der Verdächtigen ist lang!
Die Liebschaft des Commissarius spielt eine untergeordnete Rolle und bedarf keiner näheren Betrachtung.
Hochspannung habe ich in diesem Roman keine gespürt -  man könnte ein paar Stellen als spannend bezeichnen, mehr allerdings nicht. Die Stärke an diesem Roman liegt eher im Bereich Beschreibung einer historischen Stadt: Es entstehen tatsächlich Gedanken"gebäude".... Wem dieses gefällt, dem sei dieser Roman empfohlen.
 

Der Mann auf dem Hochrad / Uwe Timm
Rubrik: historischer Roman
Seiten: 200, Erscheinungsjahr: 1984 (2002 vom Autor durchgesehen)
Im Vorwort heißt es "eine wahre phantastische Geschichte". Ende 19.Jh. in Coburg: Als Leser stellt man sich eine steife verstaubte Gesellschaft vor - diesen Zeitabschnitt sollte der Leser mögen oder zumindest dafür offen sein! Nicht ohne Vorbehalte ließ ich mich auf dieses Buch ein.
In dieser skurrilen Geschichte lebt man mit den damaligen Gesellschaftschichten und Umgangsformen. Auch der Einblick in die politischen Gegebenheiten seinerzeit sind interessant - z.B. sind sozialdemokratische "Umtriebe" revolutionär! Ein Geschichtsbuch ist der Roman jedenfalls nicht - historische Elemente bilden lediglich den Rahmen der Erzählung. Die Hochwohlgeborenen zu Coburg werden von Uwe Timm mit einem Augenzwinkern beschrieben - insgesamt kommt der Humor nicht zu kurz. Protagonist und "Der Mann auf dem Hochrad" ist Franz Schröter, der unbeirrbar für die Einführung des Hochrades in Coburg und Umgebung kämpft und wirbt - sogar seine Ehe mit Anna setzt er dafür aufs Spiel.
Das zweifelhafte kipplige Vergnügen ein Hochrad zu besteigen und damit zu fahren bzw. es lernen zu wollen, schildert Uwe Timm eindrucksvoll, sprachlich wortgewandt und verschmitzt. Auch Franz Schröters hauptsächliche Professur und Passion - die Tierrestauration - wird des Öfteren bis ins Detail beschrieben und bringt den Leser manchmal zum Schenkelklatschen oder Schreien. Die Geschichte gipfelt in einer öffentlichen Debatte von Fahrradgegnern- und befürwortern in der die Argumente gegen das Fahrradfahren, doch auch in der heutigen Zeit überlegenswert scheinen, oder? - bitte lesen!
Insgesamt ist es eine wunderbare mit Charme erzählte Geschichte von annodazumal.
 

Frühes Versprechen / Romain Gary
Rubrik: historischer Roman
Seiten: 415, Erscheinungsjahr: 1960, 1961 (in dt.), 2008 Neuauflage, 2010 (Fischer)
Mittels seines autobiografischen Romans, kann der Leser die Welt des Romain Gary (Pseudonym) über einen Zeitraum von ungefähr 40 Jahren begleiten. Anfang des 20 Jh. erleben wir seine Kindheit im damaligen Osteuropa und beobachten ihn später als jungen Mann mit seiner Mutter in Frankreich lebend, wie er immer wieder versucht ihren hohen künstlerischen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir sind Zeuge dabei, wie Romain Gary versucht dieser Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen. Der Leser durchlebt mit ihm die Schmerzen wenn ihm dies zum wiederholten Male misslingt und der Leser erlebt Wonnegefühle wenn er es doch hin und wieder schafft.
Die haarsträubenden und oft peinlichen Erlebnisse des Protagonisten werden uns Lesern auf amüsante Weise sehr bild- und glaubhaft beschrieben, so dass man zur Mitte des Romans ein sehr genaues Charakterbild von Mutter und Sohn zu sehen meint. Der anspruchsvolle Humor kommt nicht zu kurz in diesem Roman, wobei manche Bremse hinsichtlich des Vergnügens eingebaut ist. Es kann vorkommen, dass man, gerade in Lesefluss gekommen, plötzlich und unvermittelt über komplexe Satzstrukturen stolpert, die ein sofortiges Verstehen zunichte machen. Vor allem bei Garys geistigen Ausflügen zu Inspiration, Kunst, dem Wesen von Gerechtigkeit, oder seiner Stellung im Universum wird der Lese- bzw. Verstehensfluss etwas zurückgenommen. Doch auch diese Absätze gehen vorbei...
Neben den oben genannten Bemühungen auf dem Weg zu Ruhm und Ehre entdeckt uns der Roman von Romain Gary ein Stück Zeitgeschehen sowie den Zeitgeist der 30er-und 40er-Jahre der damaligen Kriegsnationen.
Romain Gary, ein offenbar sehr umtriebiger Schriftsteller, der sich in keinen Stiefel passen lässt. Des Lesens wert.
 

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